Tsai-Chin Yu

Parcours

©️ Bastian Hessler

Tsai-Chin Yu wurde 1980 in Tainan, einer alten Stadt im Südwesten von Taiwan, geboren. Tanz begleitet sie fast ihr ganzes Leben. Schon mit sechs Jahren fing sie an, in einem kleinen privaten Studio tanzen zu lernen. Im Alter von neun Jahren erfuhr sie von einer Schule, in der man Tanz neben dem normalen Unterricht studieren konnte. Dort bewarb sie sich, ohne ihre Eltern zu fragen, und wurde genommen. „Meine Eltern hatten Angst um meine Zukunft und dachten, ich würde nie einen Job finden. Deshalb musste ich ihnen als Jugendliche schriftlich bestätigen, dass sie keine Verantwortung für meine berufliche Zukunft übernehmen, sondern nur ich allein“, erzählt Tsai-Chin Yu schmunzelnd. Nach der Schule studierte sie fünf Jahre an der Taipeh National University of the Arts, einer Institution, in der verschiedene Kunstformen gelehrt werden. Ein taiwanesischer Choreograph erzählte ihr von der Folkwang Hochschule (heute Folkwang Universität der Künste) in Essen. „Schon vorher wünschte ich mir, in der internationalen Tanzszene präsent zu sein“, sagt Tsai-Chin Yu. Eine Aufführung von Kontakthof in Taipeh vertiefte ihren Wunsch. „Die Bewegungen, die ich sah, waren keine Tanzbewegungen, wie ich sie gelernt hatte. Da steckte so viel Leben drin.“ Sie bewarb sich an der Essener Hochschule und studierte dort von 2003 bis 2008. In ihrem vierten Studienjahr in Essen bekam sie das Angebot, in Das Frühlingsopfer mitzutanzen. Bei einer Tournee in Japan 2007 traute sie sich, Pina Bausch nach einer Vorstellung anzusprechen und sagte ihr, dass sie gerne in ihrer Compagnie tanzen würde. 2008 kam dann der ersehnte Anruf aus Wuppertal. Ein Jahr vor Pina Bauschs Tod hatte Tsai-Chin Yu so noch die Gelegenheit, auf Recherche-Reise mit nach Chile zu fahren und das Stück "...como el musguito en la piedra, ay si, si, si..." mit der Choreographin zu erarbeiten, eine bis heute eindrückliche Erfahrung für die Tänzerin. Zunächst verbrachte sie nämlich wegen Rückenschmerzen zwei Wochen der Proben auf dem Boden liegend; so konnte sie die anderen beobachten. „Ich entwarf meinen Tanz also zunächst nur im Kopf.“ Zu der Szene mit dem Seil ließ sie sich auf einer Probe im Schauspielhaus inspirieren. Es lag am Bühnenrand, sie band es sich um und probierte aus, wie es ist, wenn man weglaufen will, es aber nicht kann. Inspiriert hatte sie dazu eine Frau in Chile, die den Tänzern bei ihrer Recherche von ihrer Erfahrung im Gefängnis erzählt hatte. Pina Bausch gefiel dieser Einfall sofort, und so wurde die prägnante Szene Teil des Chile-Stücks. Auch nach dem Tod von Pina Bausch war Tsai-Chin Yu immer klar, dass sie in der Compagnie bleiben will: „Es gibt noch so viel zu lernen. So viele Stücke habe ich noch nicht getanzt, und jedes Stück wächst in dir über die Jahre.“ Mittlerweile ist Tsai-Chin Yu in 20 Stücken von Pina Bausch zu sehen, zuletzt als Judith in Blaubart.